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Fachartikel

Nachhaltig kleben mit Verpackungshotmelts

Schmelzklebstoffe sind ein mengenmäßig kleiner, aber dennoch essentieller Bestandteil moderner Verpackungen. Eine intensive Debatte über die Nachhaltigkeit von Verpackungen lässt auch den Klebstoff nicht unberührt.

Anwender können den Einfluss von Schmelzklebstoffen auf Aspekte der Nachhaltigkeit oftmals nicht korrekt einordnen. Verwirrung herrscht insbesondere bei der Abgrenzung von „biobasiert“ zu „biologisch abbaubar“ und entsprechender Details. Auch in puncto Recycling ist Aufklärung erforderlich. So gilt bereits heu-te der überwiegende Anteil von Papier- und Kartonverpackungsklebungen nach europäischen Vorgaben als „recyclingverträglich“. Ebenso sind Verpackungsschmelzklebstoffe als Emittenten von Mikroplastik eher zu vernachlässigen. Das größte Potenzial zur Steigerung der Nachhaltigkeit haben Schmelzklebstoffe, die eine Verschwendung von Material vermeiden, Ressourcen schonen und die Lebensdauer der Anlagen erhöhen.

 

Begriffe
Mikroplastik
Grundsätzlich unterscheidet man drei Arten von Mikroplastik: Primäres Mikro-plastik Typ A, primäres Mikroplastik Typ B und sekundäres Mikroplastik. Letzteres entsteht durch Verwitterung und Fragmentierung von Makro-plastik in der Umwelt. Primäres Mikroplastik Typ B entsteht bei der Nutzung (beispielsweise Abrieb von Reifen oder beim Waschen freigesetzte synthetische Fasern). Als primäres Mikroplastik Typ A gelten etwa Reibkörper in Kosmetika oder auch Kunststoff-Halbzeuge in Granulatform, da diese Produkte bereits bei der Herstellung unter die derzeitige Definition von Mikroplastik fallen: Kunststof-fe kleiner als fünf Millimeter. Die Freisetzung von Mikroplastik Typ A kann inten-diert, bewusst in Kauf genommen oder durch einen Unfall verursacht werden.
 
Die Kunststoffstrategie der EU zielt darauf ab, insbesondere dem Eintrag von Mikroplastik in die maritime Umwelt entgegenzuwirken. Die deutsche Klebstoff-industrie setzt kein primäres Mikroplastik ein, das bei bestimmungsgemäßer Anwendung freigesetzt wird. Selbst wenn bestimmte Klebrohstoffe in Ihrer Ur-sprungsform und Teilchengröße in die derzeit noch in Diskussion befindliche De-finition fallen, so entstehen bei der Verwendung der damit hergestellten Klebstof-fe i.d.R. geschlossene Filme, die dann selbst kein Mikroplastik mehr sind oder solches enthalten. Modernes Recycling und ein geordnetes Abfallmanagement stellen sicher, dass keine Klebstoffbestandteile in die maritime Umwelt gelan-gen. Sofern jedoch geklebte Produkte durch unsachgemäße Entsorgung in die Meere gelangen, werden auch Klebstoffe zum Teil der maritimen Verschmut-zung. Effiziente Abfallwirtschaftssysteme, die den Eintrag von Abfall, speziell in die maritime Umwelt vermeiden, müssen das Ziel sein.

Recycling
Zunächst muss festgehalten werden, dass nicht der Klebstoff selbst recycelt werden soll - er soll das Recycling lediglich nicht beeinträchtigen. Daher ist in diesem Kontext der Begriff Recyclingverträglichkeit zu empfehlen. Dabei ist die Betrachtung des jeweiligen Wertstoffstroms von entscheidender Bedeutung.
Der wichtigste Strom ist hierbei Altpapier. Der Europäische Altpapierrat hat in einer Studie festgestellt, dass thermoplastische Schmelzklebstoffapplikationen, die eine horizontale Ausrichtung größer als 1,6 x 1,6 mm, eine Filmdicke größer als 120 µm sowie einen Erweichungspunkt oberhalb 68 °C aufweisen, als recyc-lingverträglich eingestuft werden können (vgl. EPRC, 2018). Diese Definition deckt somit die tatsächlich im Markt anzutreffenden Klebstoffapplikationen für Verpackungen nahezu vollständig ab. Auch das neue deutsche Verpackungsge-setz beruft sich auf diese Annahmen (vgl. ZSVR, 2019). Anzumerken ist, dass diese Feststellungen mit der nicht auf Verpackungen angepassten INGEDE-12-Methode ermittelt wurden. Bis zur Bearbeitung des Mindeststandards in 2020 müssen diese Kriterien mit an Verpackungspapiere angepasster Methodik bestä-tigt werden. Problematisch im Altpapierrecycling sind vor allem sehr weiche, haftklebrige Systeme (z.B. für Mailings), da diese zu sogenannten „Stickies“ füh-ren. Diese wiederum können den Herstellungsprozess und die Qualität des Pa-piers erheblich beeinträchtigen.

Einsatz nachwachsender Rohstoffe
Ein Schmelzklebstoff besteht in der Regel aus Polymeren, Harzen, Wachsen und Additiven. Es handelt sich also um einen Blend. Folglich müssen alle Komponen-ten betrachtet werden, wenn die biologische Abbaubarkeit der Rohstoffe bzw. der Einsatz nachwachsender Rohstoffe diskutiert wird.
Tatsächlich gibt es bereits heute eine Vielzahl unterschiedlicher Alternativen auf Basis neuer Technologien, die als biobasiert und teilweise auch als biologisch abbaubar gelten. Speziell im Bereich der Polymere und Wachse gibt es zurzeit jedoch keine kommerziell verfügbaren Systeme, die eine akzeptable Gesamtper-formance aufzeigen. Die thermische Stabilität ist oftmals derart gering, dass ei-ne industrielle Verarbeitung einen erheblichen Wartungsaufwand nach sich zie-hen würde. Innerhalb weniger Stunden kommt es zur Bildung oxidativer Ablage-rungen sowie erheblicher Viskositäts- und Farbveränderungen. Auch die Abbin-degeschwindigkeit ist allgemein deutlich langsamer und entspricht nicht dem im Markt akzeptierten Niveau. Auf Basis intensiver Forschungsaktivitäten kann in den nächsten Jahren allerdings mit einer dynamischen Entwicklung im Bereich alternativer Rohstoffe gerechnet werden.
Traditionell setzt die Klebstoffindustrie Harze aus nachwachsenden Rohstoffen ein. Diese können direkt aus Bäumen gewonnen, aus Nebenstoffen der Papier-herstellung aufbereitet oder auch aus Orangen- und Zitronenschalenpulp herge-stellt werden. Die Performance und Verfügbarkeit ist dabei annähernd vergleich-bar mit erdölbasierten Systemen. Ein deutlicher Nachteil ist jedoch häufig eine geringere thermische Stabilität, die wiederum zu einem höheren Wartungsauf-wand während der Verarbeitung führt. Wobei dieses jedoch nicht derart gravie-rend wie bei den oben angeführten alternativen Polymeren und Wachsen ausfällt. In jüngster Zeit ist es gelungen auch sehr thermostabile Schmelzklebstoffe zu formulieren, welche 30 – 50 % Harze aus nachwachsenden Rohstoffen enthalten können (vgl. Abb. 2). Die Detmolder Klebstoffexperten von Jowat konnten mit Jowatherm® GROW 853.20 solch einen sehr sauber zu verarbeitenden Klebstoff entwickeln. Neben einem hohen biobasierten Anteil, welcher sogar DIN geprüft ist, bietet der innovative Schmelzklebstoff eine geringe Verarbeitungstempera-tur. Dies ermöglicht deutliche Reduzierungen des Energieverbrauchs und damit einen weiteren Beitrag zu nachhaltigeren Verpackungsprozessen.

Eine vielversprechende Lösung zur Schonung fossiler Ressourcen bieten Mas-sebilanzverfahren. Dabei bedienen sich die Crackverfahren in der Großchemie statt Erdölderivaten, Rohmaterial auf Basis nachwachsender Rohstoffe oder auch auf Basis von Rezyklat. Die hergestellten Materialien sind chemisch somit identisch mit solchen auf Mineralölbasis. Das Verfahren zeigt einen nachweisbar stofflichen Einsatz biobasierter Rohstoffe, ohne dass der biogene Kohlenstoff im Endprodukt noch sicher nachweisbar ist. Neben der vorteilhaften Performance der so hergestellten Materialien, kann man auf den Aufbau neuartiger Infrastruk-tur verzichten. Die bestehenden Verarbeitungs- und Aufbereitungsanlagen kön-nen genutzt werden, ineffiziente Chargenwechsel sind nicht notwendig. Das An-gebot für Klebrohstoffe wird derzeit ausgebaut.

Biologische Abbaubarkeit
Die oben angesprochenen biobasierten Alternativen sind teilweise auch biolo-gisch abbaubar. In einigen Fällen sogar unter maritimen Bedingungen. Zudem gibt es auch erdölbasierte Systeme, die als biologisch abbaubar eingestuft wer-den können. Jedoch bieten biologisch abbaubare Kunststoffe nicht zwingend ei-nen ökologischen Vorteil. So ergibt sich aus dem Abbau keinerlei stofflicher oder energetischer Nutzen. Das Recyceln oder thermische Verwerten wäre entspre-chend vorteilhafter. Hinzu kommt, dass der Deutsche Bundestag davon ausgeht, dass eher fragmentiert statt abgebaut wird - also Mikroplastik entsteht (vgl. Deutscher Bundestag, 2016). Des Weiteren ist den Verbrauchern die Unter-scheidung der Begriffe biologische Abbaubarkeit, Kompostierbarkeit, Heimkom-postierbarkeit und maritime Abbaubarkeit nicht ausreichend bekannt. So bezieht sich beispielsweise die häufig anzutreffende Bezeichnung „biologisch abbaubar“ auf industrielle Kompostieranlagen, die mit den Bedingungen im heimischen Gar-ten wenig Überschneidungen hat. Selbst wenn diese Materialien über die Bioton-ne in industrielle Anlagen gelangen, werden diese regelmäßig aussortiert, da es nicht in gewünschter Zeit zum erfolgreichen Abbau kommt. Ähnlich einge-schränkt ist die Recyclingfähigkeit dieser Materialien. Werden sie über den Gel-ben Sack entsorgt, folgt die Aussortierung und Zuführung in die thermische Verwertung.

Ressourceneffizienz
Wirklich nachhaltig ist das Kleben von Verpackungen, wenn der Fokus auf einen möglichst umweltgerechten Prozess gelegt wird. Es gilt Verschwendung zu vermeiden, Ressourcen zu schonen und eine hohe Lebensdauer der Anlagen zu ermöglichen. Dieses gelingt über einen präzisen Klebstoffauftrag mittels moder-ner Auftragstechnik und darauf optimierte Schmelzklebstoffe. Moderne Schmelz-klebstoffe mit geringer Dichte und breitem Adhäsionsspektrum ermöglichen ho-he Verbundfestigkeiten bei minimalem Materialeinsatz. Kombiniert mit hoher thermischer Stabilität erhält man so einen sehr sauberen und ressourcenscho-nenden Prozess. Die Maschinenteile haben eine längere Lebensdauer und müs-sen weniger gewartet werden. Die Verpackungen inklusive der Produkte müssen nicht aufgrund von Verschmutzungen vernichtet werden. Falls Prozess und Pro-dukt es zulassen, können Schmelzklebstoffe mit deutlich niedrigeren Verarbei-tungstemperaturen eingesetzt werden. So sind heute Schmelzklebstoffe verfüg-bar, die bereits ab 99 °C zu verarbeiten sind. Verglichen mit Standardsystemen, die Temperaturen oberhalb 160 °C benötigen, lässt sich der Energieverbrauch erheblich reduzieren.

 Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2020 der Fachzeitschrift "holztechnologie" erschienen. Den gesamten Artikel können Sie unten als PDF herunterladen.