Jowat Inside
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Plattform für Anwender, Austausch und Analytik

Das „Haus der Technik“ von Jowat bietet den Kunden aus der Holz- und Möbelindustrie vielfältige Möglichkeiten. Die HK informierte sich vor Ort bei Ingo Horsthemke, Vice President Global Marketing, und Andreas Weymann Head of Global Product Management, über das zukunftsweisende Innovationszentrum. Im Interview sprechen die beiden auch über das Thema „Nachhaltiges Kleben“, die Kennzeichnungspflicht für PUR-Schmelzklebstoffe, aktuelle Investitionen in China und die geplanten Events von Jowat im nächsten Jahr.

Herr Horsthemke, Herr Weymann, wir befinden uns im „Haus der Technik“, das 2018 eröffnet wurde. Was kann Jowat den Kunden aus der Holz- und Möbelindustrie hier alles bieten?

Weymann: Es geht darum, eine Plattform für Austausch zu bieten. So werden bei Kundenprojekten Akteure im Bereich Maschinen, Substrat und Klebstoff zusammengebracht, um mit dem Anwender die beste Gesamtlösung zu finden. Mit unserem modernen Maschinenpark können wir Praxisbedingungen realitätsnah abbilden und unkompliziert Vorprüfungen für unsere Kunden durchführen. Es ist jedoch nicht nur das umfassende anwendungstechnische Equipment, was unsere Leistungen für die Holz- und Möbelindustrie einmalig macht, es sind vor allem die Menschen dahinter. Unsere Kunden schätzen unser Fachwissen, das wir vermitteln können. Neben der Durchführung aktueller Kundenprojekte und der Erprobung neuer Klebstoffentwicklungen wird das Gebäude für Branchenveranstaltungen wie das Jowat-Symposium genutzt, das mittlerweile eine feste Größe für das Netzwerken und den Austausch zu aktuellen Themen der Branche ist.

Horsthemke: Am Rande ein paar Zahlen und Fakten zum „Haus der Technik“: Das Gebäude umfasst 2.500 m² Grundfläche, es wurden 850 m³ Hotz verbaut, und die Ausstellungsfläche beträgt 350 m². Die Holz-Beton-Verbund-Decke mit 15 Metern Spannweite ist einmalig in Deutschland.

 

Über welche technischen Möglichkeiten verfügt Jowat im „Haus der Technik“? Und für welche Zwecke werden die Maschinen eingesetzt?

Weymann: Wir haben drei Maschinenräume, die unterschiedliche Schwerpunkte abbilden. Zunächst ist da eine üppig ausgestattete Schreiner-Werkstatt zur Vorbereitung der Werkstücke. Dann folgt ein Raum, in dem wir uns auf das Kleben von Kantenbändern fokussieren. Und zuletzt ein großer Bereich mit einer Vielzahl von Maschinen, etwa zur Profilummantelung und Fachkaschierung, sowie unterschiedlichstes Equipment zum Auftrag verschiedener Klebstoffsysteme. Viele Prüfungen der Werkstücke finden im Prüflabor statt, was über mehrere Klimakammern, Wasserbecken und Wärmeschränke verfügt. Hier können wir eine große Bandbreite von Umgebungsbedingungen simulieren und die geklebten Teile intensiv prüfen. In Ergänzung zum anwendungstechnischen Bereich findet sich im hinteren Teil des Gebäudes ein hochmodernes Analytik-Labor, indem wir chemische und physikalische Untersuchungen durchführen. Beispielsweise, um die chemische Zusammensetzung von Oberflächen zu identifizieren oder Verbundfestigkeiten in Zugprüfmaschinen zu ermitteln.

Nachhaltige Klebstoffe sind ein wichtiges Thema. Wie umweltfreundlich sind die Lösungen von Jowat?

Horsthemke: Oft sind es erst moderne Klebstoffe, die nachhaltigere Produkte ermöglichen - wie Windräder oder den Leichtbau.

Weymann: Was bedeutet „nachhaltiger“ in Bezug auf Klebstoffe eigentlich? Für den einen ist ein hoher Anteil biobasierter Rohstoffe das Maß aller Dinge. Der nächste fokussiert sich auf einen möglichst geringen Materialeinsatz oder die Reduzierung des Energieverbrauchs. Jedes Unternehmen hat individuelle Ziele und Prioritäten: Hier steht die Minimierung des CO2-Fußabdrucks im Fokus, dort die Maximierung des Arbeitsschutzes.

Horsthemke: Kampagnenseitig fassen wir vier Themenschwerpunkte unter den „Jowat Green Adhesives“ zusammen: erneuerbare Rohstoffe, Arbeits- und Verbraucherschutz sowie Ressourcenschonung. Diese Green-Adhesives-Plattform gibt es, damit sich alle Beteiligten besser zurechtfinden. So geht es bei erneuerbaren Rohstoffen um den Ursprung des Klebstoffs. Arbeitsschutz legt den Fokus auf den Anwender. Beim Verbraucherschutz stehen der Konsument und gesundes Leben im Mittelpunkt Und bei Ressourcenschonung geht es darum, Energie und Verbrauch im Prozess zu reduzieren. Zu diesen vier Kategorien bieten wir unterschiedlichste Lösungen.

 

Wie lässt sich im Kontext die Zusammensetzung von Schmelzklebstoffen beleuchten?

Horsthemke: Schauen wir auf die Bestandteile eines Schmelzklebstoffs wie Polymere, Harze, Wachse, Füllstoffe und Additive, dann erkennen wir: Hinter einem Klebstoff steckt ein Rezept aus unterschiedlichen Stoffen. Wenn wir einen zu 100 Prozent biobasierten Klebstoff formulieren, müssten all diese Bestandteile biobasiert sein. Das ist die Herausforderung. Hier gibt es noch starke Limitierungen. Möglich sind zum einen Tallharze, die aus Rohtallöl hergestellt werden. Dies ist ein Abfallprodukt der Zellstoffherstellung. Die Rohstoffe stehen nicht in Konkurrenz mit der Nahrungs- oder Futtermittelproduktion. Baumharze werden direkt gewonnen. Darüber hinaus gibt es Terpenharze, die aus Schalen von Zitrusfrüchten gewonnen werden. Wieder ein Abfallprodukt. Zudem kommt für Lösemittelklebstoffe Etyhlacetat in Frage, das aus Zuckerrohr hergestellt wird.

 

Wohin könnte die Entwicklung bei nachhaltigen Klebstoffen gehen?

Weymann: In der Möbelindustrie entwickelt sich gerade großes Interesse an Rohstoffen im Klebstoff, die nicht auf neu gewonnenen fossilen Rohstoffen basieren. Daher gibt es zahlreiche geförderte Forschungsprojekte, die sich mit neuen Ansätzen befassen. Jowat hat an vielen solchen Projekten einen Beitrag geleistet. Trotz vielversprechender Teilergebnisse scheitert die Umsetzung oft an der unterlegenen technischen Performance und mangelnder Bereitschaft zur Kommerzialisierung. Die Bedarfsmengen und Akzeptanz der höheren Produktpreise sind zu vage, um die enormen Investitionskosten für die Rohstoffhersteller zu rechtfertigen. Dennoch werden wir weiter in zukunftsorientierte Forschungsprojekte investieren und an neuen biobasierten oder zirkularen Rohstoffen forschen.

Horsthemke: Neben der Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen, die im Klebstoff messbar sind, gibt es weitere Möglichkeiten, die Reduktion fossiler Rohstoffe voranzutreiben. So existieren Technologien, bei denen aus biobasiertem sowie recyceltem Input-Material Monomere gewonnen werden können, die zu Klebrohstoffen polymerisiert werden. Diese unterscheiden sich in ihren Eigenschaften nicht von Produkten fossilen Ursprungs. Die Notwendigkeit einer erneuten technischen Qualifikation eines so formulierten Klebstoffs entfällt. Einen einfachen und intelligenten Weg, diese Möglichkeiten auszuschöpfen und so alle chemischen Produkte schrittweise von fossilen auf erneuerbare Rohstoffe umzustellen, bietet das Massenbilanzverfahren. Das ist eine kalkulatorische Methode, mit der die Mengen erneuerbarer Rohstoffe verfolgt und bestimmten Produkten zugeordnet werden. Es ermöglicht den flexiblen Einsatz erneuerbarer Rohstoffe – inklusive rein zirkularer Materialien – und deren Kombination mit fossilen Rohstoffen in chemischen Herstellungsprozessen. Es ist daher zwar möglich, dass biogener Kohlenstoff im Endprodukt nur in geringem Umfang oder gar nicht nachweisbar ist. Ähnlich dem Ökostrom-Konzept ist der Einsatz erneuerbarer Rohstoffe dennoch über Überprüfungs- und Zertifizierungssysteme wie ISCC Plus nachvollziehbar.

 

Was sind Ihre Ziele für die nächsten Jahre in diesem Zusammenhang?

Horsthemke: Bis zum Jahr 2025 wollen wir erreichen, dass 80 Prozent unserer Produktinnovationen unsere Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Außerdem werden wir den Absatz unserer Green Adhesives verdoppeln und in Kooperation mit unseren Partnern gute Lösungen erarbeiten, die größere Anteile Rezyklat-basierter Rohstoffe in der Formulierung ermöglichen.

 

Die Debatte um die Kennzeichnungspflicht für PUR-Schmelzklebstoffe hat manche Kunden verunsichert. Wie ist hier der aktuelle Stand?

Weymann: Wir sind seit 2001 mit monomerreduzierten PUR-Schmelzklebstoffen, die ohne GHS-Piktogramme auskommen, auf dem Markt. Wir profitieren von großer Erfahrung in Bezug auf Entwicklung und Produktion dieser Klebstoffe und kennen die Anforderungen der Anwender. Mit dem Umstieg auf kennzeichnungsfreie PUR-Schmelzklebstoffe leisten Unternehmen einen Beitrag zur Verbesserung des Arbeitsschutzes. Monomerreduzierte PUR-Schmelzklebstoffe weisen einen geringen Gehalt an monomerem Diisocyanat (MDI) auf, was sie mit weniger als 0,1 Prozent kennzeichnungsfrei macht. Weiter gilt zu berücksichtigen, dass seit dem 24. August in der EU die gesetzliche Schulungspflicht für Anwender von konventionellen PUR-Schmelzklebstoffen greift. Mit Produkten aus der „Jowatherm-Reaktant MR“-Familie entfällt dies.

 

Die Klebstoffproduktion zählt zu den energieintensiven Bereichen der Branche. Wie stark spürt Jowat die gestiegenen Kosten? Können Sie die Steigerungen an die Kunden weitergeben?

Horsthemke: Wir bemühen uns, diese Steigerungen über Kostensenkungs-Programme weitgehend zu mildern. Ende 2021, Anfang 2022 gab es diesen Peak, den die Gesellschaft im Ganzen erlebt hat. Die Unternehmen der Groß-Chemie, die ja energie-intensiv ist, sind unsere Vor-Lieferanten. Zum einen kaufen wir Kleb-Rohstoffe, die bereits energie-intensiv hergestellt wurden, und in denen der Energie-Aufschlag drinsteckt. Dazu kommt noch unsere eigene Produktion und Weiter-Verarbeitung, in der wir nochmal energie-intensiv sind. Von daher sind wir als Jowat zweifach betroffen. In Deutschland haben wir das nicht eingepreist, sondern offen und transparent mit einem Energie-Additional gearbeitet, das wir 2022 wieder zurückführen konnten.

 

In Kürze eröffnet Jowat einen neuen Standort im Großraum Shanghai. Welche Märkte werden von dort versorgt?

Horsthemke: Für Jowat gewinnt der chinesische Markt zunehmend an Bedeutung. Heute macht das dortige Geschäft mehr als zehn Prozent des Gesamtgeschäfts aus. Von daher ist das der nächste logische Schritt, denn der weltgrößte Markt für die Möbelproduktion ist China. Seit Jahren haben wir Vertriebsbüros in Peking, Shanghai und Guangzhou. Um hochvolumige Absatzbereiche mit hohem Wettbewerbsdruck erfolgreicher zu bedienen, steht die Optimierung der Produktionslandschaft und der Lieferketten auf dem Plan. Mit unserem Engagement in China stellen wir die Weichen zur Erschließung neuer Märkte, die hier ihre Produktionsschwerpunkte haben - wie des Wachstumsmarkts „Consumer Electronics“.

 

Gab es auch in den beiden anderen internationalen Werken von Jowat, in den Vereinigten Staaten und in Malaysia, Investitionen?

Weymann: Tatsächlich haben wir in diese Standorte massiv investiert: in Malaysia in Photovoltaik, einen umfangreichen Logistik-Komplex und zusätzliche Produktionslinien. Gleiches gilt auch für die USA. Dort haben wir die Produktionskapazitäten ausgebaut und modernisiert, inklusive eines hochmodernen Lagers. Außerdem konnten wir in diesem Jahr das Nachbargebäude erwerben, welches dem Ausbau unserer Fertigungskapazitäten in North Carolina dient. Insgesamt befinden wir uns auf konsequentem Wachstumskurs.

Wie plant Jowat das Jahr 2024? Welche Events sind vorgesehen?

Horsthemke: Das Jowat-Symposium, das in zweijährigem Rhythmus über die Bühne geht, findet am 10. und 11. Oktober 2024 zum 20. Mal statt. Kürzlich haben wir eine neue Veranstaltungsserie begonnen: Das Jowat-Forum. Ergänzend zum Symposium, das anwendungsübergreifend ausgerichtet ist und den Fokus auf das Kleben legt, konzentrieren wir uns beim Forum auf je ein Industriesegment und tauchen tief in Branchenthemen ein. Wir verstehen uns da mehr als das verbindende Element. Das erste Jowat-Forum mit dem Titel „Kleben & Verpacken“ haben wir vor einigen Wochen durchgeführt und waren mit der Premiere mehr als zufrieden.

 

Und auf welchen Messen wird sich Jowat 2024 präsentieren?

Horsthemke: Wir werden auf der IWF in Atlanta und auf der Interzum Guangzhou sein. An der Holz-Handwerk nehmen wir nicht teil. Als Klebstoffhersteller haben wir eine Nähe zur Maschinenindustrie. Viele große Maschinenhersteller haben für 2024 abgesagt. Diese Tatsache war für uns der entscheidende Punkt zu sagen: Wir freuen uns auf unsere Teilnahme an einer starken Holz-Handwerk 2026.

 

Das Interview ist in der Fachzeitschrift "HK 06/2023" erschienen. Den gesamten Artikel können Sie unten als PDF herunterladen.